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Babyzeichensprache als Überbrückungshilfe

Corsin kam im August 2006 zur Welt. In Corsins erster Lebenswoche kam beim Hörtest kein Echo zurück. Nach weiteren Tests kam die endgültige Diagnose: unser Kind ist hochgradig schwerhörig.

Als Corsin acht Monate alt war, hörten wir zum ersten Mal von der Babyzeichensprache. Zuerst waren wir dagegen, sie anzuwenden: Wir standen in der Mitte des Konflikts zwischen einerseits der Gehörlosenkultur und ihrer Gebärdensprache und andererseits den Lautsprachlern und ihren Vertretern unter den Fachleuten. Als Corsin ein Jahr alt war merkten wir, dass wir uns wünschten, mit Corsin besser kommunizieren zu können. Ein starker Einbezug von Ritualen war hilfreich, aber nicht ausreichend. Die Diskussion ging in dieser Zeit schnell in Richtung CI (Cochlea Implantat). Damit würde Corsin etwas hören und die Lautsprache lernen können.

Aber was ist, wenn es ausfällt? Wenn wir mit ihm schwimmen gehen, und das Gerät abgestellt wird? Wie können wir uns ihm dann verständlich machen? Ein Erfahrungsbericht Aus dem englischen und nordischen Sprachraum gibt es Erkenntnisse, dass der Einbezug von Gebärden in die Kommunikation mit Babys keine Verlangsamung betreffend der Sprachentwicklung darstellt. Und sogar wenn das Baby bald ein CI implantiert erhält, kommt es dank der Gebärden schneller in die Lautsprache, da es die Dinge bereits begreift. Diese Feststellung und alles andere, was wir zu diesem Zeitpunkt wussten, bewog uns, einen Workshop in Babyzeichensprache bei Frau Corine Verna von der Zwergensprache zu besuchen.

Wir lernten, die wichtigsten Grundbegriffe mit den Händen auszudrücken und die Babywelt mit unseren Händen darzustellen. Wir schätzten sehr, dass wir mit Eltern hörender Babys einen Kurs besuchen konnten und einen Austausch hatten. Wieder zu Hause waren wir noch recht skeptisch, wollten die Babyzeichen aber ausprobieren und prompt zeigte Corsin nach acht Wochen „Lampe“ und dann „Blume“.

Mit achtzehn Monaten kannte er bereits fünfzig Zeichen, auch für abstrakte Begriffe wie „es ist da“ – „es ist weg“. Das erleichterte unsere Kommunikation enorm, und wir haben einen viel besseren Zugang zu unserem Kind.

Er ist sehr motiviert, sich mitzuteilen und tut es rege. Als Eltern kommt man so näher an sein Kind heran und baut ein gegenseitiges Vertrauen auf. Die ersten drei Jahre sind unserer Meinung nach entscheidend für den Aufbau des Selbstvertrauens. Und mit den Babyzeichen haben wir einen ersten wichtigen Schritt gemacht. Corsin soll sich so akzeptieren, wie er ist, ein gesundes Selbstvertrauen haben. Das ist wichtig, um Rückschläge im Leben zu verkraften. Wenn man keine ausreichende Kommunikationsmöglichkeit mit seinem gehörlosen Kind hat, besteht die Gefahr, dass man nicht mehr mit ihm spricht, sich ihm nicht mehr mitteilt. „Er hört mich ja eh nicht“, ist dann so ein Gedanke. Die Babyzeichen und die Gebärdensprache an sich helfen den Eltern, den Kontakt zu ihrem Kind zu intensivieren, einen ganz direkten, nahen Kontakt zu ihm zu haben, viel mit ihm zu sprechen und ihm die Welt zu erklären.

Corsin ist gesund und hat keine weiteren Beschwerden oder Behinderungen. Wir sind zuversichtlich, dass er nun in die Lautsprache findet, obwohl das wieder ein riesiger Schritt für ihn sein wird. In der Therapie nach dem CI-Implantat wird er Töne hören lernen. Das heißt, wenn er das erste Mal Vogelgezwitscher hört, kann er dieses Geräusch nicht einordnen oder gar Vögeln zuordnen. Dank der Gebärde für „Vogel“, die Corsin kennt, kann ihm die Therapeutin leicht verständlich machen, was die Quelle dieses Geräuschs ist. Das CI wird anfangs ganz leise eingestellt bis wir wissen, wie es für ihn optimal ist.

Die Babyzeichensprache stärkte unsere Eltern-Kind-Beziehung sehr. Obwohl wir natürlich nun auch auf das Ersetzen der Zeichen durch Worte warten, lernen wir über die Babyzeichen viel aus der Welt unseres Babys und der Gehörlosen.

Corsin macht sich mittlerweile sehr gut. Er ist jetzt 3,5 Jahre und spricht nun sehr viel, wenn auch noch zum Teil etwas undeutlich. Er kann schon ziemlich viele Wörter und spricht neu Gehörtes auch gleich nach. Wir sind darüber sehr erfreut. Die Gebärden nehmen langsam ab. Nur, wenn die Eltern sich ganz doof anstellen, unterstreicht Corsin noch mit Gebärden. Und natürlich, wenn er die Hörhilfen nicht trägt. Dann erweisen sich die Gebärden noch immer als DAS Kommunikationsmittel. Wir sind nach wie vor sehr froh, dass wir uns damals für die Babyzeichensprache als Überbrückungshilfe entschieden haben.

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